
MU-Ringvorlesung: Tragödie der Gemeingüter
Im Rahmen der MU-Ringvorlesung im Sommersemester 2025 hat Prof. Dr. habil. Martin Beckenkamp über Gemeingüter referiert. Er entwickelte Perspektiven, wie Institutionen verhindern könnten, dass gemeinschaftlich genutzte Ressourcen durch individuelle „Übernutzung“ erschöpft werden.Im Rahmen der MU-Ringvorlesung im Sommersemester 2025 hat Prof. Dr. habil. Martin Beckenkamp über Gemeingüter referiert. Er entwickelte Perspektiven, wie Institutionen verhindern könnten, dass gemeinschaftlich genutzte Ressourcen durch individuelle „Übernutzung“ erschöpft werden.

Gemeingüter sind Ressourcen wie Wasser oder Luft, Wissen oder Straßen, die im Prinzip allen Mitgliedern einer Gesellschaft zur Verfügung stehen und von ihnen genutzt werden können. Wenn aber eine Ressource, die allen zugänglich ist, von einigen zu stark genutzt wird, drohen Gefahren wie die Überfischung und Verschmutzung der Meere oder die Zerstörung von Regenwäldern. In solchen Fällen, so argumentierte Martin Beckenkamp, drohe – im Widerspruch zu einer optimalen Ressourcenallokation durch Marktwirtschaft – die sogenannte Tragödie der Gemeingüter. Märkte seien also nicht immer der „effizienteste Weg“, um die Ressourcenallokation zu optimieren. In solchen Fällen treffe man auf Marktversagen, denn die durch Märkte bedingte Wohlfahrt für alle beziehe sich nur auf private Güter, nicht aber auf Gemeingüter.

Spieltheorie und Gefangenen-Dilemma
Martin Beckenkamp, der bis zu seiner Emeritierung Professor für Medien- und Wirtschaftspsychologie an der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft (HMKW, heute: Media University) war, erläuterte das soziale Dilemma, das entsteht, wenn mehrere Personen Zugang zu einer gemeinsamen, aber begrenzt zugänglichen Ressource haben. Die angestrebte Nutzenmaximierung jedes Einzelnen könne dann zu einer Übernutzung und letztlich zur Zerstörung oder Erschöpfung des Gemeinguts führen. Eine solche Tragödie der Gemeingüter lasse sich auch spieltheoretisch erklären: Gemeingüter würden Situationen bewirken, in denen durch Kooperation (z. B. Klimaschutz) erhebliches Gemeinwohl geschaffen werden könne. Spieltheoretische Modelle, basierend auf dem Gefangenen-Dilemma, gehen davon aus, dass rational vorgehende Akteur:innen, die kooperative Strategien wählen, langfristig davon profitieren. Solche Kooperationen aber seien „extrem anfällig“ gegen Vertrauensbruch bzw. Nicht-Kooperation Einzelner, die davon erheblich profitieren können. Der Profit individueller Nutzenmaximierung sei dabei geringer als das Ausmaß der Zerstörung des Gemeinwohls.
Wie aber lässt sich in Zeiten der sogenannten Klimakrise die Übernutzung von Gemeingütern verhindern? Martin Beckenkamp empfahl eine stärkere Berücksichtigung der Wechselwirkungen von Institutionen und Individualpsychologie. In der Neuen Institutionenökonomik werden Kontrolle und Sanktionen zur Vermeidung gesellschaftlich unerwünschten Verhaltens als „Institutionen“ bezeichnet. Dabei geht es um die „Spielregeln einer Gesellschaft“ sowie um deren Kontrollen und Sanktionen. „Ohne Kontrollen und Sanktionen funktionieren weder die Märkte noch die Governance von Gemeingütern“, betonte der Wirtschaftspsychologe. Dabei gehe es um die Einhaltung gemeinsam beschlossener Nutzungsregeln.
Klima-Club-Modell für individuelle Ebene
Einige Gemeingüter, wie etwa Wikipedia oder Linux, hätten zwar gute Chancen, im Rahmen einer Art Selbstverwaltung zu existieren, erklärte Martin Beckenkamp, der von 2001 bis 2011 am Max-Planck-Institut in Bonn zum Thema Gemeinschaftsgüter forschte. Bei globalen Problemen wie der Klimakrise aber erweise sich Selbstverwaltung als sehr schwierig oder unmöglich. Einen Ausweg aus diesem Dilemma könnte die Club-Idee weisen, wie sie der Nobelpreisträger William Nordhaus vorschlug: ein Club von Ländern, die ein multilaterales Handelsabkommen mit einheitlichen Standards zum Klimaschutz schließen und den Handel mit Nicht-Vertragsstaaten durch Strafzölle oder CO2-Abgaben verbinden. Vor drei Jahren wurde tatsächlich ein entsprechender Klimaklub gegründet, dem außer Deutschland 45 weitere Staaten angehören, berichtete Martin Beckenkamp.
Um das Verhalten jedes Einzelnen im Sinne des Kilmaschutzes zu verbessern, regte Martin Beckenkamp Klima-Clubs auch auf individueller Ebene an. Im Zentrum eines solchen Projektes könne beispielsweise eine CO2- oder Nachhaltigkeits-App stehen. „Idealerweise sollte sie motivierend sein, wie eine Gesundheits-App, und die Möglichkeit bieten, das Mobilitäts- und Kaufverhalten zu analysieren, um ein Feedback zu erhalten“, schlug der Wirtschaftspsychologe vor. Dabei sei auch Feedback zu individuellen Verbesserungen und zum Vergleich mit anderen wichtig, um die Motivation für ein klimaschützendes Verhalten zu steigern. Ein Gruppenzugehörigkeitsgefühl könne schließlich dazu beitragen, das Bewusstsein dafür zu stärken, dass kooperatives Verhalten zum Vorteil aller Beteiligten beiträgt, wenn sich alle an gemeinsame Regeln (Institutionen) halten und auf persönliche Nutzenmaximierung verzichten.
Eine Ausführliche Behandlung des Themas findet sich im Aufsatz Die Tragödie der Klimakrise: Ursachen und institutionelle Lösungen. Ein Appell für eine stärkere Berücksichtigung der Wechselwirkungen von Individualpsychologie und Institutionen von Martin Beckenkamp und Peter Vohle
