KI mit der Kraft des Zauberlehrlings?
Künstliche Intelligenz (KI) fasziniert und weckt zugleich Ängste. Zum Auftakt der MU-Ringvorlesung im Wintersemester hat Ismene Poulakos die Ergebnisse einer aktuellen Studie des rheingold Instituts über die Zukunft der Arbeit mit KI vorgestellt.
„Wie verändert KI den Arbeitsmarkt?“, lautete die Frage, die MU-Präsident Prof. Dr. Lorenz Pöllmann in seiner Begrüßung formulierte. Anschließend erhielten Studierende und Lehrende aller MU-Standorte und -Fachbereiche neunzig Minuten lang via Teams-Videokonferenz spannende Einblicke in die Ergebnisse der Studie „KI und die Zukunft der Arbeit: Stresstest für Führung und Zusammenarbeit“. Die empirische Untersuchung war vom rheingold Institut im Auftrag der randstad Stiftung durchgeführt worden. rheingold-Unternehmenssprecherin Ismene Poulakos, die im Sommer selbst tiefenpsychologische Interviews für die Studie geführt hatte, erklärte, die meisten Probanden hätten zunächst von einer großen Faszination im Umgang mit KI berichtet. Erste Begegnungen mit KI wirkten oft magisch, wenn KI im Alltag effizient Probleme etwa bei der Steuererklärung oder Reiseplanung löse. Angesichts dieser Leichtigkeit erscheine KI für viele wie ein Wundermittel, das uns schnell, kreativ und verblüffend einfach zu einer Art Zauberlehrling mache. So ließen sich lästige Routineaufgaben schnell und präzise erledigen. Diese Entlastung ermögliche mehr Zeit für kreative, strategische oder zwischenmenschliche Tätigkeiten.
Hohe Zustimmungswerte überwiegen
Bei einer quantitativen Befragung von 1.015 Teilnehmenden hätten 76 Prozent angegeben, KI mindestens einmal pro Woche zu verwenden, berichtete Ismene Poulakos. 83 Prozent hätten sich von KI eher fasziniert als beängstigt gezeigt. 78 Prozent stimmten der Aussage, KI eröffne neue Chancen für die Arbeitswelt, zu, und 72 Prozent gaben an, sich von KI im Arbeitsalltag unterstützt zu fühlen. Im Laufe der anschließend qualitativ durchgeführten 35 Tiefeninterviews hätten sich dann aber auch Ängste und Sorgen in Bezug auf KI und einen drohenden Arbeitsplatzverlust gezeigt. In den Gesprächen sei die Macht der KI oft „kleingeredet“ worden, um bedrohliche Aspekte zu verdrängen. Festgestellt wurden die Angst vor Kontrollverlust und die Sorge, KI-Tools würden zur Konkurrenz für menschliche Arbeitskräfte. So entstehe die Ambivalenz, dass uns KI einerseits unterstütze, andererseits aber auch Hilflosigkeit drohe.
Künstliche Intelligenz werde als „formlose, nicht greifbare Macht“ wahrgenommen, sagte Ismene Poulakos. KI stelle am Arbeitsplatz menschliche Kompetenzen und Identität infrage, erzeuge massiven Veränderungsdruck und wecke das Gefühl, ersetzbar zu sein. Darauf reagierten die Menschen mit unterschiedlichen Strategien. Einerseits werde die eigene Kompetenz für „unersetzbar“ erklärt und davon ausgegangen, der Mensch nutze KI nur als Werkzeug. Andererseits werde KI als Partner vermenschlicht. So ließen sich Ohnmachtsgefühle im Zeitalter der Multikrisen kompensieren.
KI-Integration als Stresstest
Angesichts der beschriebenen Unsicherheiten im Umgang mit KI bezeichnete Ismene Poulakos die Integration von KI in die Arbeitswelt als „Stresstest“. Dabei gehe es nicht nur um technische Prozesse, Routinen und Strukturen, sondern auch um kulturelle und psychologische Fragen. Blieben diese ungeklärt, könnten Mitarbeitende die erhoffte KI-Hilfe als unkontrollierbare Bedrohung empfinden und entstehe ein unheimliches Zauberlehrling-Gefühl. Ausbleibende Schulungen, fehlende Transparenz und die mangelnde Einordnung von KI-Ergebnissen könnten schließlich die Unsicherheit erhöhen. Umso wichtiger, so empfahl Ismene Poulakos, seien Transparenz und klare Regeln für den Umgang mit KI. Darüber hinaus hält das rheingold Institut eine offene Partizipationskultur, Reflexion und Weiterbildung für wichtig sowie die Betonung menschlicher Werte wie Empathie, Kreativität und Verantwortung.
In der abschließenden von MU-Vizepräsidentin Prof. Dr. Friederike Bing moderierten Diskussion wurde deutlich, welche Fragen sich derzeit noch nicht beantworten lassen. Dazu zählt etwa die große Diskrepanz, die aus den positiven Einschätzungen im Rahmen der quantitativen Befragung einerseits und der großen Skepsis bei den tiefenpsychologischen Interviews andererseits erkennbar wird. Unklar ist auch, ob der Einsatz von KI eine digitale Wissenskluft auslöst. KI, so wurde deutlich, birgt für die Arbeitswelt große Potenziale, stellt zugleich aber eine psychologische Herausforderung dar. Bei vielen Führungskräften herrsche beim Thema KI derzeit Hilflosigkeit, berichtete Ismene Poulakos. Angesichts vieler ungeklärter Fragen, so betonte sie, seien für den Umgang mit KI in der Arbeitswelt Transparenz und Offenheit in der Kommunikation eine „Grundbedingung“. Andernfalls drohten bei den Mitarbeitenden „sehr, sehr große Widerstände“.







