MU-Ringvorlesung: Steve Raymer zeigte Fotos voller Menschlichkeit

29. Juli 2025

Wie Fotojournalismus als professioneller Augenzeuge der Geschichte die Welt verändern kann, hat Prof. Steve Raymer im Rahmen der MU-Ringvorlesung erklärt. Der preisgekrönte US-Fotograf präsentierte in einer Web-Konferenz eindrucksvolle Beispiele spannender Perspektiven.

Prof. Steve Raymer

Neunzig Minuten lang machte der Gast der Ringvorlesung anhand von zahlreichen Bildern deutlich, wie sich der Fotojournalismus seit dem „goldenen Zeitalter“ der Hochglanz-Magazine bis zur TikTok-Ära verändert hat. Steve Raymer verwies darauf, dass inzwischen die meisten Menschen in den USA Nachrichten nicht mehr über traditionelle journalistische Wege, sondern via Social Media erhalten würden. Hinzu komme, dass digitale Technologien und Künstliche Intelligenz die Art, in der Wirklichkeit abgebildet werde, verändern würden. Auch die Tatsache, dass wir mit dem Smartphone jederzeit in der Lage sind, Fotos zu machen, verändere die Art und Bedeutung von fotografischen Abbildern unserer Welt. Seitdem im 19. Jahrhundert Zeitungen erstmals Schwarz-Weiß-Fotos veröffentlichten, so wurde deutlich, hat sich der Fotojournalismus fortwährend geändert.

Bewegende Bilder als „Momente voll Wahrhaftigkeit“

Raymer, der 1976 von der National Press Photographers Association zum „Magazine Photographer of the Year“ ernannt wurde, zeigte eigene und fremde Fotos, mit denen es gelang, eine nahezu intime Nähe zu fremden Menschen herzustellen, in der sich Zeitgeschichte widerspiegelt. Mit Licht, Komposition und Bildausschnitt ließen sich „Momente voll Wahrhaftigkeit“ kreieren, erklärte der emeritierte Professor für Journalismus an der Indiana University in Bloomington, wo er noch immer mit Studierenden über das Erleben und Dokumentieren von Krieg und Terrorismus diskutiert. Steve Raymer zeigte seine Fotos aus Vietnam und Kambodscha, aus Russland, von den Falkland Inseln oder Alaska. Er präsentierte Kriegsbilder, die dramatische Geschichten erzählen, erläuterte fotografische Essays, machte anschaulich, warum aus seiner Sicht Journalismus die „Verschmelzung von Bildern und Wörtern“ bedeutet. Er hat zahlreiche Bücher zu Themen wie Vietnam oder Sankt Petersburg verfasst. Darin befinden sich Fotografien von Agent-Orange-Opfern ebenso wie von einer russischen Ballettkompanie.

Die Motive von Raymers Fotos zeigen die Folgen von Krieg und Hunger, von Flucht und Vertreibung oder vom Eingriff des Menschen in die Natur. Der Mann, der den Vietnam-Krieg als Soldat erlebte, erklärte, die Aufgabe von Pressefotografie sei die von „professionellen Augenzeugen“. Es gehe darum, Erfahrungen mit anderen zu teilen. So könnten Ungerechtigkeit und soziale Probleme sichtbar gemacht werden. Schließlich gehe es darum, Öffentlichkeit und Transparenz für Themen zu schaffen, für die es an gesellschaftlicher Aufmerksamkeit fehle. Steve Raymer erklärte seine „Idee der visuellen Wahrhaftigkeit“ und zeigte dazu beeindruckende Bilder von Menschen und Landschaften. Befragt nach seinem „Lieblingsbild“, zeigte er ein Foto aus dem Jahr 1975, auf dem ein geflüchtetes Kind mit einer leeren Schale unterm Arn zu sehen ist, das auf Hilfsgüter wartet.

Foto von Steve Raymer (© Steve Raymer/University of Wisconsin-Madison Mass Communications Archive)
Foto von Steve Raymer (© Steve Raymer/University of Wisconsin-Madison Mass Communications Archive)

Journalistische Unabhängigkeit unverzichtbar

Journalistische Arbeit dürfe nicht nur davon abhängen, für wen gearbeitet werde, sondern hänge vor allem davon ab, wie gearbeitet werde, forderte Steve Raymer dazu auf, das eigene Wirken kritisch zu reflektieren. Manchmal gehe es in demokratischen Gesellschaften auch um Zusammenhänge jenseits von Gesetz, Moral, Markt und öffentlicher Meinung, erinnerte er an den im Mai verstorbenen brasilianischen Fotografen, Fotoreporter und Umweltaktivisten Sebastião Ribeiro Salgado. Fotos könnten neue Perspektiven erschließen oder vermitteln. Steve Raymer, der von 1989 bis 1995 Direktor des National Geographic Society News Service war, erläuterte seine Haltung anhand von Bildern seiner Karriere, die ihn in mehr als hundert Länder geführt hat. Das Spektrum seiner Werke, mit denen er National-Geographic-Reportagen illustrierte, reicht von Hungersnöten in Bangladesch und Äthiopien über den Bau der Trans-Alaska-Ölpipeline bis hin zum Zusammenbruch der Sowjetunion. Prof. Dr. Klaus Schulz, Rektor der Media University, dankte ihm schließlich für eine großartige Vorlesung „nicht nur hinsichtlich der Fotos, sondern auch in Bezug auf Menschlichkeit“.

  • Foto von Steve Raymer (© Steve Raymer/University of Wisconsin-Madison Mass Communications Archive)
  • Foto von Steve Raymer (© Steve Raymer/University of Wisconsin-Madison Mass Communications Archive)
  • Foto von Steve Raymer (© Steve Raymer/University of Wisconsin-Madison Mass Communications Archive)
  • Foto von Steve Raymer (© Steve Raymer/University of Wisconsin-Madison Mass Communications Archive)
  • Foto von Steve Raymer (© Steve Raymer/University of Wisconsin-Madison Mass Communications Archive)
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