
Journalistisches Kabarett „fernab der Realität“
„Fernab der Realität“ lautete der programmatische Titel des studentischen Kabarett-Projekts „Journalissimo“, das am 9. Juli im Kölner Kellertheater „Küngelpütz“ gezeigt wurde. Ein Ensemble von MU-Studierenden stellte alles auf den Prüfstand: Politik und Publizistik, Medien und Macht, Wahlkampf, Wahrheit und Wirklichkeit.
Knapp neunzig Minuten lang gehörte die Bühne von Kölns ältester Kleinkunst-Spielstätte Klüngelpütz – 1966 von den legendären Machwächtern gegründet – dem journalistischen Nachwuchs. Und der rüttelte mit einer Mischung aus Provokation und Pointen, Parodie und Persiflage an lange sicher geglaubten Gewissheiten. Die Bachelor-Studierenden des Kölner Fachbereichs Journalismus und Kommunikation hatten ihrem Programm den Namen „Fernab der Realität – oder was Sie schon immer (nicht) wissen wollten“ gegeben. Konsequent machten sie sich deshalb an die Dekonstruktion von aktuellen Nachrichten, von politischer Wahlwerbung oder den Ritualen von Politainment und TV-Talk.

Pointen mit Sarkasmus und Satire
Auf der Klüngelpütz-Bühne wurde eine Politikerin namens Alice (Celina Krell) in einem Wundermarkt als antidemokratische Akteurin demaskiert, litt Olaf Scholz (Maurice Pietsch) im Gespräch mit seiner Therapeutin (Lara Aldenhoff) an den schizophrenen Folgen einer verlorenen Kanzlerschaft, haderte Kanzler Merz (Jan Lensen) mit dem Einfluss von Lobbyismus auf sein Kabinett und ging bei Ministerpräsident Söder (Solina Armillei) mal wieder fast alles um die Wurst. Weil es Annalena B. (Kim Köbke) auch „fernab der Realität“ nicht gelang, als Friedensengel mäßigend auf Putin (Konstantin Florenz) und Trump (Timo Kersting) einzuwirken, wiesen die Studierenden mit einer kleinen Prise Sarkasmus und einer großen Portion Satire auf die wahnwitzigen Widersprüche des Weltgeschehens hin. Diese spiegelten sich auch in den News der „Tagesciao“ wider, mit denen eine Nachrichtensprecherin (Celeste Dongour) – unterstützt durch ironische KI-Kommentare einer Off-Stimme – die großen Zeitläufte dekontextualisierte.
Unter der Regie des Dozenten Hans Hausmann begegneten dem Publikum auf der Bühne die Großen der Weltgeschichte ebenso wie so manche kleine TV-„Größe“, beispielsweise Robert Geiss (Leonie Scharn) oder Ralf Schumacher (Maurice Pietsch). Mit viel Liebe zum Detail und großer Sensibilität enttarnten Akteurinnen in vermeintlichen Nebenrollen (zum Beispiel Nele Brunen als Kamerafrau oder Mariella Cigna als Kassiererin) die allzu populistische Inszenierung von Politik. Lara Aldenhoff und Kim Köbke führten durch ein Programm, das komisch und kritisch zugleich war, nie aber bloße Comedy.
Improvisation „sauber“ inszeniert
Eine feste Größe im „Journalissimo“-Team ist seit Jahren der Pianist Wolfgang Eichler. Effektvoll verhalf der Profi-Musiker dem Bühnengeschehen mit geschickt gewählten Melodien und Rhythmen zu noch mehr klanglicher Atmosphäre. Was Kleinkunst auch im Bereich Improvisation alles leisten kann, wurde am Ende des „Journalissimo“-Programms sicht- und hörbar: Der Journalist und MU-Professor Dr. Frank Überall erhielt die Aufgabe, ein Bühnen-Gespräch mit Drag Artist Mademoiselle Bijou zu führen. Dabei wurde den beiden – Achtung: Fallhöhe – das Thema „Waschmaschine“ vorgegeben. Virtuos stellte der Drag- und Visual-Künstler im Interview Bezüge zum Politischen und Privaten her, stellte Gender-Stereotype in Frage und wusch augenzwinkernd natürlich auch ein wenig schmutzige Wäsche. Eine saubere Leistung, die das Publikum mit großem Applaus honorierte.