Medienaktivismus verstehen: Im Gespräch mit Dozent Dr. Philipp Budka

Das Thema des Medienaktivismus ist spätestens seit der aktuellen Proteste der "Black Lives Matter"-Bewegung hochaktuell. In diesem Semester leitet Dr. Philipp Budka im Studiengang M.A. Visual and Media Anthropology das Seminar "Media Activism" und er hat dort die derzeitigen Entwicklungen sofort aufgegriffen. Mit ihm haben wir über seine Herangehensweise an das Thema, die Entstehung von Medienaktivismus sowie kommende Studierendenprojekte gesprochen.

Protestierende der "Black Lives Matter"-Bewegung in New York (Foto: Pexels)

Protestierende der "Black Lives Matter"-Bewegung in New York (Foto: Pexels)

Auf welche Aspekte dieses Themenfeldes konzentriert sich Ihr Kurs "Media Activism" besonders?

Medienaktivismus lässt sich sehr allgemein als eine Form von Aktivismus verstehen, die mittels medialer Praktiken darauf abzielt sozialen und politischen Wandel herbeizuführen. Der Kurs befasst sich mit dem Phänomen und Forschungsfeld Medienaktivismus vor allem aus kultur- und sozialanthropologischer sowie ethnographischer Perspektive. Das bedeutet, dass kultureller Vergleich, kritische Kontextualisierung und gesellschaftlicher Wandel im Mittelpunkt stehen.

Inwieweit werden die aktuellen Proteste in den USA und in vielen anderen Ländern der Welt im Seminar aufgegriffen? Oder sind sie vielleicht sogar spontan zum Gegenstand des Seminars geworden?

Die "Black Lives Matter"-Bewegung in den USA, die mittlerweile ja als globale Protestbewegung verstanden werden kann, ist zwar nicht Teil des ausgearbeiteten Kursplanes, aber natürlich wird auch diese – so wie andere aktuelle medienaktivistisch-relevante Phänomene auch – aufgegriffen und mit den Studierenden diskutiert. So werden etwa Fragen nach der Bedeutung von visuellem Material und dessen Verbreitung über Social Media, oder Fragen nach Informations- und Desinformationsprozessen und -praktiken bearbeitet.

 

Was würden Sie sagen, waren die Anfänge des Medienaktivismus?

Das hängt davon ab, auf welchen Formen von medialer Kommunikation man sich bezieht und wie weit der Begriff „Medien“ gefasst wird. So könnten etwa schon Malereien und Botschaften auf Wänden oder etwa frühe Formen des Theaters, die soziale und/oder politische Missstände kritisieren, als Medienaktivismus verstanden werden.

Die gegenwärtige medienaktivistische Forschung konzentriert sich vor allem auf massenmediale Kommunikation und wie etwa zivilgesellschaftliche Projekte und Initiativen seit Ende der 1970er Jahre bestrebt sind die globale Medien- und Informationsordnung, die vor allem von nationalstaatlichen Institutionen und globalen Medienkonzernen dominiert wird, kritisch zu hinterfragen und zu verändern.

Ein Schlüsselmoment war hier sicher der Bericht der von der UNESCO eingesetzten MacBride Kommission, die Ungleichheiten in der medialen Repräsentation des Globalen Südens konstatierte und entsprechend Lösungsvorschläge erarbeitete, die unter der Bezeichnung „New World Information and Communication Order“ bekannt wurden.

Wie führen Sie in das Thema ein?

Für mich ist hier wesentlich, die vielfältigen und komplexen Verbindungen zwischen Medienaktivismus und Globalisierung, (Ent)Kolonisierung, Macht und Konflikt zu thematisieren und entsprechend in die Analyse von konkreten Fallbeispielen einzubeziehen. Historische Entwicklungen sind hier ebenso von Bedeutung wie gegenwärtige Prozesse.

Haben Sie ein Lieblingsbeispiel für Medienaktivismus? Welche politische Gruppierung verdeutlicht das Potenzial von Medienaktivismus in Ihren Augen am besten?

Da gibt es sehr viele Beispiele. Da ich mich aber viele Jahre auch mit Indigenen Medien auseinandergesetzt habe, ist für mich das Beispiel der Zapatisten in Mexiko, und wie diese mit Hilfe nationaler und internationaler Unterstützungs- und Solidaritätsnetzwerke sowie unterschiedlicher Formen früher Internetkommunikation ihr Ringen um Menschen- und Landrechte globalisierten, besonders interessant. So gelang es den Zapatisten trotz staatlich kontrollierter Medien sich von einer regionalen indigenen Bewegung zu einer international vielbeachteten sozialen Bewegung und zu einem globalen Medienphänomen zu entwickeln.

Was sind die Vor- und Nachteile des Medienaktivismus?

Medienaktivismus ist ein Teil aktivistischer Praktiken, die erfolgreich oder weniger erfolgreich sein können. Social Media bieten etwa wunderbare Möglichkeiten zur Vernetzung und Verbreitung von Inhalten, erlauben es beispielsweise staatlichen Institutionen aber auch AktivistInnen zu überwachen und/oder zu manipulieren. Diese mediale Ambivalenz ist wichtig im Auge zu behalten.

Was ist das Ziel des Seminars?

Studierende erhalten anhand unterschiedlicher Fallbeispiele einen Einblick in das Phänomen Medienaktivismus. Dabei lernen sie die Verbindungen zu anderen Phänomenen und Themenkomplexen ebenso kennen, wie vielfältige theoretische Konzepte und konkrete methodische Ansätze, die sie dabei unterstützen sich kritisch mit dem Thema auseinanderzusetzen.

Welche Projekte sind für Ihren Kurs noch geplant? Werden Ihre Studierenden auch praktisch arbeiten?

Studierende erhalten in diesem Kurs die Möglichkeit eigenständig Themen zu bearbeiten, zu präsentieren und in einem abschließenden Text ihre Ergebnisse zusammenzufassen. So werden in den kommenden Wochen Studierende Präsentationen über die Rolle von Instagram in der "Black Lives Matter"-Bewegung ebenso halten, wie über die gegenwärtige Situation der Zapatisten, eine von Indigenen initiierte soziale Bewegungen in Mexiko, die schon Mitte der 1990er Jahre massiv auf globale Unterstützungsnetzwerke und das Internet setzte.

Neben studentischen Projekten werden wir in den nächsten Wochen auch weitere medienaktivistische Fallbeispiele und damit zusammenhängende theoretische Konzepte und methodische Zugänge näher kennenlernen und diskutieren, von Anonymous und der Indignados Bewegung bis hin zu indigenen Medieninitiativen als Form kulturellen Aktivismus.

Herr Dr. Budka, vielen Dank für das Gespräch und weiterhin ein erfolgreiches Semester.