Herausragende Abschlussarbeit über WGs im Fach Grafikdesign und Visuelle Kommunikation

Tamara Orlovsky wurde vor Kurzem - nach ihrem Abschluss im Studiengang B.A. Grafikdesign und Visuelle Kommunikation (dual) - zu Berlins Landesbester 2022 der IHK-Abschlussprüfung (MediengestalterIn digital/print) ausgezeichnet. Zusätzlich hat sie für ihre Bachelorarbeit mit Bewohner:innen von vielfältigen Wohngemeinschaften in Berlin gesprochen und das WG-Leben fotografisch dokumentiert. Im Interview wollten wir deshalb unbedingt mehr über diese jüngsten Erfolge und Projekte sowie ihre Erfahrungen während des Studiums erfahren.

Tamara Orlovsky, Absolventin des dualen Studiengangs B.A. Grafikdesign und Visuelle Kommunikation

Tamara Orlovsky, Absolventin des dualen Studiengangs B.A. Grafikdesign und Visuelle Kommunikation

Gratulation zu dieser Auszeichnung und natürlich auch zu Ihrem erfolgreichen Studienabschluss. Was war Ihr erster Gedanke, als Sie von der Auszeichnung erfahren haben?

Danke für die Glückwünsche. Ich wurde von der Auszeichnung tatsächlich ziemlich überrascht. Die Einladung zum Event habe ich unwissentlich verpeilt, Motto: „Ich werde bestimmt auf Platz 246 landen“, und bekam einige Wochen später stattdessen ein Päckchen mit Pokal und Auszeichnung nach Hause geschickt – es hat einige Minuten im Flur hockend gedauert, bis ich alles begriffen habe. Aber ich habe mich sehr gefreut.

Worum ging es in Ihrer Bachelorarbeit? Könnten Sie uns mehr darüber erzählen?

Seit einiger Zeit entwickelte sich bei mir ein Interesse dafür, wie Menschen wohnen, sie sich ihren Lebensraum gestalten und für welches Wohnmodell sie sich entscheiden. Das führte mich letztendlich zu meinem B.A.-Thema „Wohngemeinschaften in Berlin“.

Die Relevanz innovativer Wohnkonzepte aufgrund von Wohnraumknappheit in Metropolen liegt seit der Corona-Pandemie und diverser anderer Krisen auf der Hand. Wohnen ist zu einem Luxus geworden, und auch – oder gerade – für unsere Generation spürbar. Mit der „typischen“ WG in Berlin hat jeder bestimmte Assoziationen: Das Interior, die Menschen, der Lifestyle, die Konstellationen, die Atmosphäre. Wie setzt sich also konkret „WG-Kult“ in Berlin zusammen? Gibt es überhaupt einen? Wie und warum leben WGs heutzutage in welchen Konstellationen zusammen?

 

Was genau mir da begegnen würde, und was ich daraus später machen könnte, wusste ich nicht. Ein soziales Experiment quasi, und das wollte ich auch absichtlich genauso. Also saß ich dort mit Mädels zusammen, die mir von ihrem WG-Hausgeist erzählten, oder einem ehemaligen Bewohner einer 70er-Kommune in Berlin. Ich suchte sieben verschiedene WGs verteilt in Berlin aus, dokumentierte die Besuche fotografisch, interviewte die Bewohner:innen, ließ Menschen verschiedener Altersgruppen Texte über ihre Erfahrungen mit Wohngemeinschaften schreiben, führte Gespräche mit Expert:innen und trug Material aus Literatur und Medien zusammen.

Das Endergebnis ist ein Fotobuch und vereint alle Komponenten miteinander: Also eine „Hom(e)mage an die WG“. Am meisten Spaß hat es gemacht, das haptische Erlebnis des Mediums im Produktionsprozess zu kreieren, die Bindungsart, Materialien, Farben, jedes noch so kleine Detail.

Die Gestaltung dessen zeigt, inwiefern Kommunikationsdesign einen Zugang zu der komplexen Thematik bilden und die Kreativität und Diversität von Wohnmodellen fördern kann, ohne zu urteilen. Der/die Rezipient:in kann sich als Teil des Komplexes verstehen und durch interaktive Elemente eine eigene Perspektive einnehmen.

Mein Traum wäre es, wenn meine Arbeit als eigene Ausstellung umgesetzt werden würde, ich glaube, dass diese intensiven Einblicke ganz viele Menschen interessieren könnten.

Zuerst einmal reiche ich das Buch bei verschiedenen Fotobuch-Wettbewerben ein und schaue, was sich daraus ergibt – vielleicht erregt es dadurch Aufmerksamkeit. Fingers crossed!

 

 

Warum haben Sie sich vor einigen Jahren für den Studiengang "B.A. Grafikdesign und Visuelle Kommunikation dual" entschieden?

Ich war schon immer eine kreative Knalltüte. Also habe ich das Studium einfach angefangen, da ich mir irgendwie nichts anderes vorstellen konnte, als künstlerisch tätig zu sein – und war völlig offen, wo es hingehen könnte. Der Horizont erweitert sich durch die verschiedenen Designdisziplinen und buntgemischten Kommiliton:innen ganz automatisch.

Die strategische Perspektive durch Techniken wie Design Thinking oder Zielgruppenanalysen hilft, die kreative Energie besser zu kanalisieren. Gerade in den IHK-Modulen lernt man sehr intensiv, Marketing- und Gestaltungskonzepte im Rahmen von Corporate Identity-Redesign zu entwickeln. Das hat mir zu einer strukturierteren Arbeitsweise verholfen – ich erfülle da eher das Bild der kreativen Chaotin, haha. Das Studium passt zu Menschen, die grundsätzlich kreativ arbeiten wollen, offen für Experimente und Impulse sind und bereit sind, ihre Energie in unterschiedlichste Richtungen zu investieren.

Was hat Ihnen an Ihrem Studium/dem Studiengang im Allgemeinen am besten gefallen? Und was war die größte Herausforderung während Ihres Studiums?

Der Support der Dozierenden ist unfassbar wertvoll. Da die Studiengruppen an der Media University recht überschaubar sind, kann auch sehr individuell unterstützt werden. So entstehen oft Kollaborationen und Nebenjobs über mehrere Jahre, da die Dozierenden immer auch auf der Suche nach coolen Leuten für Projekte sind.

Das fand ich immer am coolsten, diese Extra-Projekte, die richtungsweisend für die eigene Entwicklung sind – und wirklich empfehlenswert, auch wenn sie oft unbezahlt und mit Nachtschichten verbunden sind (einige Dozierende sind hierfür auch bekannt und gefürchtet).

Die größten Herausforderungen waren/sind für mich:

1. Die rasende Weiterentwicklung der Außenwelt und die eigene, innere Entwicklung als Kreativschaffende:r in Einklang zu bringen.

2. Sich abgrenzen zu lernen. Der Vergleich mit anderen Kommiliton:innen liegt zwar nahe, ist aber nicht sonderlich hilfreich, da jeder total anders und auf seine eigene Art kreativ ist. Und das ist auch gut so.

3. Den eigenen Weg zu finden ist schön und gleichzeitig auch echt herausfordernd und hört auch nie auf – so ist es zumindest bei mir. Alles ist irgendwie eine nie endende Reise und das hat seinen Reiz.

 

 

In welchen Unternehmen habe Sie Ihre berufliche Ausbildung absolviert? Erzählen Sie uns mehr über Ihre Erfahrungen. Wie hat es Ihnen dort gefallen und welche Aufgaben haben Ihnen besonders Spaß gemacht?

Meine Stationen waren bei Scholz & Friends in Hamburg und Dan Pearlman und Foxxbee in Berlin. Die glitzernde Scholz & Friends-Werbe-Welt als erste Erfahrung hat mich sehr beeindruckt – auch, wie hoch der Konkurrenzdruck war und an „Gold-Ideen“ für Wettbewerbe neben dem Daily Business gearbeitet wurde. Es hat mich ein bisschen an eine Fabrik erinnert. Danach war mir eher nach kleineren Agenturen, die mehr meine individuellen Interessen abdecken.

Dan Pearlman bietet neben klassischen Werbeagentur-Leistungen auch Spatial Design an, also die Gestaltung von Raum als erlebbares Medium, z.B. in riesigen Shopping Malls oder Head Quarters von internationalen Brands. Das Adaptieren der dritten Dimension hilft mir seitdem, Designs ganzheitlicher zu denken. Ich finde es reizvoll, Inspiration in Materialien und Texturen oder Raumatmosphären zu finden, um diese dann in die grafische, zweite Dimension zu transferieren. Umgekehrt beeinflusst mich mein grafisches Denken, wenn ich Räume gestalte.

Die Zeit bei Foxxbee, einem Interior-Design-Startup, zeigte mir, wie viel man sich autodidaktisch beibringen kann, wenn man für ein Thema brennt, und dass auf einem grundsätzlichen Design-Verständnis so gut wie alles aufgebaut werden kann. Ich hatte weder Interior Design noch Möbeldesign studiert, und trotzdem konnte ich meine Begeisterung für Innenarchitektur an die Kunden weitergeben und ihre individuellen Einrichtungswünsche berücksichtigen. In meiner Praxisphase war also vieles dabei. Und was ich fast vergessen hätte: Die Praktikumsphase ist äußerst hilfreich zum Networken: Es entsteht nicht selten aus einer Praktikantentätigkeit eine Festanstellung oder Freelancing für ein Unternehmen. Aber auch für das klassische Wer-kennt-wen in der Branche sind unterschiedliche Praktikumsstationen super.

 

 

Welche Vorteile eines dualen Studiums sehen Sie gegenüber einem Studium in der klassischen Form?

Der Wissens-, Zeit- und Inspirationsfaktor.

Wenn es zwei Optionen gibt, a) „nur Studieren“ und b) „Studieren und noch viel mehr wissen“, welche würden Sie dann nehmen? Letztere war ausschlaggebend für die Media University als Uni, da dieses spezielle Studienangebot nur dort gegeben war. Länger studieren heißt mehr Praxiserfahrung, mehr Einblicke, mehr probieren, aber auch, die Zähne zusammen zu beißen, z.B. in den IHK-Modulen Drucktechnik oder Farbphysik. Um naturwissenschaftliche Themen konnte ich mich damit dann leider doch nicht drücken, haha. Aber auch solche Impulse stoßen neue, wertvolle Denkprozesse an – selbst wenn man feststellt, dass einem gewisse Themen weniger liegen – und haben mir sehr geholfen, umzudenken, neue Perspektiven einzunehmen und die Range der Kreativbranche besser zu erfassen. Man ist anfangs noch viel zu planlos, was ja auch normal ist. Eine längere (duale) Studienphase ist hilfreich, sich zu fordern und seiner Mission durch „Try and Error“ durch Praktika, Studien-Modul-Abgaben und Freelancing bewusst zu werden.

Was sind Ihre Pläne für die Zeit nach Ihrem Abschluss?

Erst einmal eine kreative Pause, und ein bisschen kreatives Rumprobieren. Ich war letztens beispielsweise bei einem Agentur-Speeddating von „Stell-mich-ein“: Eine super Bewerbungsübung, bei der man innerhalb von nur fünf Minuten eine Agentur von sich überzeugen muss. Aktuell reizt mich speziell der Kulturbereich, in dem sich meine Interessen verknüpfen lassen – Kunst, Interior, Mode, Theater, Ausstellungen. Ich kann mir hier vorstellen, die Gestaltung zeitweise zu verlassen und mehr in die Strategie zu schauen.

Durch das WG-Projekt habe ich gemerkt, dass mich Hintergründe und Zusammenhänge in ihrer Gesamtheit aus einer Vogelperspektive interessieren und man hierbei auch sehr kreativ arbeiten kann. Menschen zu begegnen und Kommunikation als Tool für sich zu nutzen, um in den Austausch zu kommen, sind dadurch spannend geworden. Für mich ist diese verrückte, kreative Welt ein Wechselspiel aus Entdeckung und Experiment – ich glaube, das eigene Bauchgefühl und das „Worauf habe ich jetzt Bock?“ sind gute Wegbegleiter für die Zukunft.

Vielen Dank für das Gespräch und die spannenden Eindrücke. Alles Gute für die Zukunft!